In den letzten beiden Tagen bin ich fleissig mit dem Bike durch die City geflitzt und habe versucht, diese Stadt zu entdecken und etwas besser verstehen zu lernen. Was ich bisher gesehen habe, hat mich vor allem deprimiert.

Ich wusste, dass Shanghai eine der Städte ist, die einen starken europäischen Einfluss hat, dass es eine Wirtschaftsmetropole ist, die eine starke Kluft zwischen Arm und Reich beheimatet und dass sie vollgepflastert ist mit riesigen Hochhäusern. Aber ich habe gehofft, hier dennoch auch etwas chinesische Kultur entdecken zu können – und diese Kultur war in meinen Vorstellungen bisher mit Besinnlichkeit, Weisheit, Zurückhaltung und Fleiss verknüpft. Davon habe ich hier jedoch nichts angetroffen.

Der schnelle Wachstum in China hat Shanghai in eine Glitzermetropole verwandelt: hier steht ein riesiger Turm neben dem nächsten, alles blinkt und strahlt, die Fassade muss stimmen. In den zentralen Arbeits- und Geschäftsecken in dieser Stadt stehen riesige Shopping-Malls, in denen man nur Luxusmarken wie Dior, Prada und Gucci vorfindet. Hier ist alles gross, strahlend und neu – aber auch überwiegend leer (wer kann sich den Luxus hier schon leisten?).

Pudong - Hochhauszentrum
Pudong – Hochhauszentrum mit dem Perlenturm
Protz nach aussen
Protz nach aussen
Die Shoppingmalls
Die Shoppingmalls

Pudong ist das Viertel, in dem auch Coco wohnt. Auf dieser Seite des Flusses reihen sich die meisten Wolkenkratzer, darunter der berühmte “Flaschenöffner” (World Financial Center, 492 m), der Perlenturm als Shanghais Wahrzeichen (491 m), das goldene Jin-Mao-Gebäude (421 m) und das sich noch im Bau befindende zweithöchste Gebäude der Welt, der Shanghai-Tower (632 m). Die Hochhäuser sind schon beeindruckend…

Shanghai-Tower
Shanghai-Tower
Der Perlenturm
Der Perlenturm
Jin-Mao-Tower
Jin-Mao-Tower & Flaschenöffner
Der Flaschenoeffner
Der Flaschenoeffner

Aber gleichzeitig fand ich diesen Bauprotz auch erschreckend. Nicht allein wegen der zugekleisterten Skyline und der Tatsache, dass in den letzten Jahren wie wild gebaut wurde (wenn man sich anschaut, dass dort, wo nun all die berühmten Glitzertürme stehen noch vor 20 Jahren Ackerland war oder Bauernhäuser standen, wird der rasante Wachstum etwas fühlbar) – sondern vielmehr, weil alles so “unecht”, unpassend und gezwungen wirkt. Dieser Eindruck ist bei mir einerseits dadurch entstanden, dass direkt neben den Prunkbauten die totale Armut herrscht, wo Menschen in Trümmern wühlen, auf den Strassen waschen und kochen. Andererseits dadurch, dass ich bisher wenige Menschen gesehen habe, die diesen Reichtum zu leben scheinen. Es gibt die zahlreichen westeuropäischen Arbeitnehmer hier und die gut situierten Chinesen – aber nicht unbedingt die Luxusmäuse, wie man sie beispielsweise in Zürich antreffen würde. Der Protz ist also vor allem für den Schein nach aussen da.

Shanghais Wachstum
Shanghais Wachstum
Vor 21 Jahren
Vor 21 Jahren
Aktuell
Aktuell
Tradition und Moderne
Tradition und Moderne

Ich bin als nächstes dann in das Zentrum für Stadtplanung (Urban Planning) gestolpert, in der Hoffnung, dort irgendwelche Antworten zu finden, Erklärungen für den Wachstum aber vor allem auch einsichtige Ãœberlegungen für die Zukunft. Viel gefunden habe ich dort jedoch nicht – ausser ein nochmals beeindruckendes Bild von der gesamthaften Grösse dieses einstigen Fischerdorfes, das Shanghai zu Beginn war.

Shanghai: im Urban Planning Zentrum
Shanghai: im Urban Planning Zentrum
Shanghai: im Urban Planning Zentrum
Shanghai: im Urban Planning Zentrum

Eine Stadt wird aber nicht nur durch seine Gebäude gezeichnet, sondern vor allem durch die Menschen, die hier wohnen. Nun fällt es mir hier nicht so einfach, einen direkten Kontakt zu Einheimischen aufzubauen, da ich ihre Sprache nicht spreche (ausser “Hallo”, “Danke” und “Tschüss” :)). Aber es lässt sich ja dennoch etwas in Gesichtern lesen.

Und da sehe ich hier einerseits eine grosse Leere und andererseits einen absoluten Egoismus (aus meiner Sichtweise, das mag für einen Chinesen ganz anders sein). Hier wird gedrängelt und geschubst, man nimmt keinerlei Rücksicht auf den anderen. So funktioniert auch die Verkehrsordnung hier: der Stärkere hat recht. Ampelfarben spielen keine Rolle und selbst die Strassenseiten sind irrelevant. Gleichzeitig funktioniert das Chaos auf den Strassen aber ganz gut – ich fühle mich hier auf dem Fahrrad sicherer als in Toronto.

Moped- und Bikechaos
Moped- und Bikechaos
Moped- und Bikechaos
Moped- und Bikechaos

In den Gassen wird an jeder Ecke laut rumgerotzt und man erledigt sich seiner Körperflüssigkeiten, ohne dass dies gross Beachtung findet. Hier nimmt es auch jeder gemütlich, man liegt in den Ecken, auf seinem Fahrradwagen oder spielt Karten – nur keine Hektik. An den Marktständen allerdings wird dann aggressives Verkaufsverhalten gezeigt, natürlich vor allem den Touristen gegenüber. Hm, woher kommen dann meine Bilder von dem zurückhaltenden, leisen und bedachten Chinesen und seiner Fleissigkeit? Dies sehe ich hier jedenfalls nicht.

Das sind also meine ersten Eindrücke vom BlingBling des kommunistischen Chinas und seinem rasantem Wirtschaftswachstum. Unecht und schmerzhaft. Aber ein paar traditionellere Ecken hab ich dann auch noch entdeckt…im nächsten Artikel 🙂

Cocos Wohnsitz
Cocos Wohnsitz

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