Kaffee am Morgen! Ich habe tatsächlich einen Platz ergattert im überfüllten Coffee-Shop und warte nun darauf, dass auch noch eine Steckdose frei wird. Hier hängt momentan jeder am Kabel und um mich herum konkurrieren diverse elektronische Geräte miteinander.
Die Sucht nach Kommunikation und Information – und alles hängt am Strom. Der ist seit gestern abend in meiner Wohngegend weg, tschüssikowski. Wir hatten einen mächtigen Sturm hier in Vancouver und der hat für ziemliches Chaos gesorgt.
Kein Strom heisst: nichts fliesst mehr, alles ist im Stillstand. Mein Wohnblock ist absolut leblos – und dafür tummeln sich alle in den umliegenden Coffeeshops wie die Ameisen. Man sieht nur sehr wenige mit einem Buch in der Hand. Ich fühle mich als echter Sonderling, hier sitzend mit Stift und Papier, meinem Lieblingswerkzeug.
Als ich gestern abend in meinen Wohnblock einbog, wurde ich von kompletter Finsternis begrüsst: nirgends ein Lichtchen – und das an einer Hauptverkehrsstrasse.
Mein erster Gedanke war: Mist, wie komme ich denn nun in meine Wohnung – die Türen haben ein elektronisches Schloss, dass lässt sich ohne Strom ja gar nicht öffnen! Doch Glück im Unglück: bei Stromausfall scheinen die Schliessmechanismen schlichtweg schlapp zu machen – und somit sind alle Türen unverriegelt.
Im Hauseingang wurde mir dann langsam bewusst, was ein Stromausfall bedeutet: klar, der Aufzug funktioniert nicht. Also die Treppe beim Notausgang nach oben kraxeln. Die wiederum ein rabenschwarzes Loch darstellte. Hach, und mein Handy ist auch so gut wie tot, das kann ich kaum noch als Lichtquelle benutzen.
Wie gut, dass zur gleichen zeit mein Nachbar in den Flur kam – und sein Handy funktionierte noch. Er kam gerade zurück von der Tankstelle. “Man kann nichts machen, ist ja super langweilig in der Wohnung.” So ganz habe ich seinen Kommentar zunächst nicht verstanden. Ich mein, klar ist es blöd ohne Licht, aber im Kerzenschein zu sitzen hat doch auch was.
Als ich dann meine Wohnung betrat und dort schnell einige Kerzen anzündete, die glücklicherweise schon parat standen, verstand ich dann langsam, was er meinte.
Kein Strom bedeutet: ich kann mir keinen heissen Tee machen, den ich dann gemütlich auf dem Sofa bei Kerzenschein geniessen kann. Ich kann auch keine Musik im Hintergrund laufen lassen. Es gibt kein Internet, mein Computer hat keinen Akku mehr, ebenso mein Handy – also kein Film schauen, keine Emails schreiben, nicht im Internet surfen.
Na klar, es gibt ja auch noch Bücher. Aber im schwachen Kerzenlicht (ich hatte nur Teelichter) ist das auch nicht wirklich prickelnd.
Und am nächsten Morgen bedeutete Stromausfall: kein warmes Wasser zum duschen, keinen Kaffe, kein Toast, kein Herd und kein Backofen – ach ja, und das Tiefkühlfach ist auch schon abgetaut.
Und so trafen sich dann alle in den Coffee-Shops, wie gestrandete Fliegen, gierig darauf lauernd, eine Steckdose zu finden, um das Handy, das iPad, den Computer aufzuladen – und um sich endlich wieder “vernetzt” zu fühlen.
Schon schräg wie abhängig wir sind…
Welch eine Erleichterung, als am späten Nachmittag der Spuk wieder aufhörte. Zurück zum Alltag.