Ich bin wieder einmal zu Besuch in Deutschland. Die letzte Hausräumaktion im Taunus steht an – doch diesmal verbinde ich sie mit meiner grössten Leidenschaft, den Bergen. Mit Peter, einem Freund aus Australien (wir haben vor 3 Jahren gemeinsam den Mont Blanc bestiegen), habe ich eine 9-tägige Wandertour von Österreich nach Italien geplant. Unser Startpunkt war Lienz, der Zielort Sexten.
Am 10. Juni ist Abflug nach Frankfurt. Das Corona-Chaos hat sich etwas gelegt, immerhin muss man keine Testreihe mehr durchlaufen – aber nun kommen die Nachwehen, das Personalmangel, was für extreme Wartezeiten an den Flughäfen führt. Nach verzögertem Abflug, einem mässigen Flug (Condor – das muss ich auch nicht noch einmal mitmachen) und zwei Stunden Wartezeit in Frankfurt bin ich dann aber gut wieder in der Heimat angekommen.
Die nächsten Tage gab es dann Aufenthalte in Schwanheim (die liebe Coco besuchen), in Darmstadt (Geschwister-Treff) und Fulda (mich in der Tanten-Rolle üben :)).
Die Lienzer Dolomiten
Am Dienstag, 14. Juni, ging es dann los zur Wanderung: mit dem Zug von Fulda nach Lienz, 4 Mal umsteigen, 10 Stunden unterwegs, pünktliche Anschlüsse – ein erster Erfolg.



In Lienz gab es eine grosse Wiedersehensfreude mit Peter nach drei Jahren. Allerdings musste ich mich erstmal wieder umstellen auf sein “Australian English”. Oft nicht so einfach zu verstehen…aber ich werde ihm das Englisch schon noch beibringen 🙂




Nach einem kurzen Spaziergang Tour durch Lienz habe ich den Tag mit typisch deutsch/ österreichischer Kultur abgeschlossen: Schnitzel und Fussball 🙂 Dass die Deutschen die Italiener haushoch (5:2) besiegt haben, kam in Österreich nicht so gut an – wir haben nach Spielende dann schnell das Lokal verlassen 😀
Tag 1: Lienz – Kerschbaumalm (15 km/ 12700 m)
Am nächsten Tag starteten wir unser Abenteuer. Schon nach wenigen Metern merkte ich, dass mein Rucksack schwerer war als gedacht. An dem Minimalismus muss ich wohl noch etwas arbeiten.


Die erste Wegstrecke führt uns durch ein idyllisches Tal bei tollstem Sonnenschein.



Nach etwas 30 Minuten kamen wir dann an den eigentlichen Wanderweg – und der hatte es in sich: es ging gleich steil hoch, ein toller Willkommensgruss der Berge. Auch wenn es schnell etwas heiss wurde mit dem schweren Gepäck, so war ich doch froh, dass wir bei so tollem Wetter starten durften.




Unsere Wanderstrecken waren pro Tag zwischen 15 und 20 Kilometer lang mit 1000 – 1500m Aufstieg (und teilweise auch Abstieg). Zwischendurch wollten wir immer wieder mal einen Klettersteig mitnehmen. Peter ist ein erfahrener Kletterer und wollte mir (ich kämpfe nach wie vor mit meiner Höhenangst) somit ein wenig die Berge “von oben” zeigen.
Nach einigen Stunden kamen wir an einem Klettersteig vorbei. Unverhofft kommt oft: wir hatten zwar nicht geplant, am ersten Tag bereits zu klettern, aber dies war vielleicht gar keine schlechte Aufwärmübung. Auf einem Schild stand “Klettersteig für Kinder ab 14 Jahren” – na, das sollte ich auch hinbekommen.
Also Klettergurt an, Helm auf, Karabiner festgeschnallt, Rucksack auf dem Rücken und los gehts. Am Anfang lief es auch ganz gut, an einigen Stellen wurde mir etwas mulmig, aber alles in allem fand ich Spass daran. Bis wir dann zu einer etwas schwierigen Stelle kam, wo Kletterwissen hilfreich ist, um den richtigen “Tritt” zu finden. Da musste ich eine Pause einlegen: meine Arme haben nicht mehr mitgemacht (habe scheinbar bisher alles falsch gemacht und zu viel Kraft mit den Armen statt mit den Beinen verbraucht), mein Rucksack zog mich runter, meine Beine zitterten…kam nicht weiter.
Peter kletterte vor, bevor er dann zurück kam, meinen Rucksack packte und mir den genauen Tritt zeigte. Aaaaaah, so geht das.






Nach diesem Erlebnis war ich ziemlich k.o. und nur froh, als wir endlich das Ende des Klettersteiges erreichten. Jetzt noch etwa 40 Minuten bis zu unserer Hütte und dann war Feierabend für den Tag.





Unser Ziel, die Kerschbaumalm, war eine niedliche kleine Hütte, von einer ehemaligen Finanzberaterin betrieben (als Pächterin), die uns auch gleich Tips und Ideen für weitere Klettersteige für den nächsten Tag gab. Wir erfrischten uns mit einem Bier, genossen dann ein köstliches Abendessen (die Hütten in den Bergen werden ja immer doller, da kommt man sich ja beinahe schon vor wie in einem Hotel!) und fielen dann kaputt ins Bett. Tag 1 war geschafft.





Tag 2: Kerschbaumalm – St. Lorenzen (15,6 km / ↗︎ 810 m, ↘︎1270 m)
Auch am zweiten Tag wurden wir mit schönstem Sonnenschein begrüsst. Wir verliessen die Hütte gegen 8 Uhr und machten uns auf einen relativ kurzen Anstieg (200 Höhenmeter) bis zu einem weitere Klettersteig. Dieser war etwas anspruchsvoller – und auch um einiges länger – als unser erster Versuch. Aber gut, wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Helm auf, Gurt an, los gehts.









Der Klettersteig war ganz schön steil und zog sich extrem lange. Zwischendurch musste ich eine Pause einlegen – meine Arme schmerzten heute zwar nicht mehr so sehr, aber mental ist Klettern für mich noch immer eine Herausforderung.




Nach 2.5 Stunden hatten wir den ersten Teil geschafft und standen am Gipfel (auf 2600m Höhe).






Von hier aus ging es ein kleines Stück runter, bevor der Anstieg zum zweiten Gipfel kam. Auf dem Weg entdeckte ich “echte” Kletterer, die sich an einer steilen Wand nach oben angelten. Allein beim Zusehen wurde mir ganz anders und ich murmelte zu Peter: “Das mach ich nicht mit, hoffen wir dass unser Klettersteig woanders ist.”
Der Einstieg zum zweiten Teil des Klettersteigs lag allerdings in der Tal am Fusse ebendieser Wand, an der sich die Kletterer vergnügten. Ich schaute nur Kopfschütteln rauf: “Peter, das pack ich nicht.” Und Peter blickte mich stumm an und wartete einfach. Meine Optionen waren: zurück klettern, einen rutschigen, schmalen “Notabstiegspfad” zu nehmen – oder zu versuchen, weiter zu klettern. Nach oben zu klettern klang da irgendwie doch sicherer als 2.5 Stunden wieder nach unten zu klettern…und so seufzte ich nach wenigen Minuten tief auf: “Also, los gehts, lass es uns versuchen.”
Und dann lief es wie im Fluss. Ich murmelte mein Mantra “tiny feet (kleine Schritte)” ununterbrochen vor mich hin, fokussierte mich nur auf den nächsten Schritt – und im Nu waren wir oben am zweiten Gipfel! Was für ein Erfolgserlebnis, eine weitere Hürde war überstanden.






Nach knapp 4 Stunden hatten wir den Klettersteig hinter uns. Ein Blick zurück: schon toll, was wir eben erkraxelt haben. Schade, auf Fotos ist dies kaum festzuhalten (jedenfalls nicht, wenn man versucht, sich selbst zu fotografieren, während man sich krampfhaft an einem Seil festhält :)). Ich hab später noch ein paar Aufnahmen von einem Buch zu diesem Klettersteig gefunden…



Für uns ging es nun zu einem Pass, von wo aus wir ins Tal nach St. Lorenzen abstiegen.




Der Abstieg hatte es auch noch in sich: 1200 Meter hinunter auf recht rutschigem Untergrund…meine Beine haben sich ganz schön bei mir bedankt.









Nach weiteren Stunden (viel zu vielen nach meinem Gefühl) kamen wir endlich am Zielort an: St. Lorenzen. Hier wartete ein kleines Zimmer in einem B&B auf uns, wir konnten duschen und uns von diesem sehr eindrucksvollen Tag erholen. Welch ein toller Start!




Von hier aus verliessen wir die Lienzer Dolomiten und machten uns Richtung Karnischer Höhenweg…doch davon mehr im nächsten Beitrag.