Oder: Nie wieder!
Ich habe mich zu einer letzten Skitour in dieser Saison überreden lassen: die Spearhead Traverse in einem Tag. Diese Tour habe ich vor einigen Jahren schon einmal mitgemacht: 35km, 1600 Höhenmeter, ca. 10-12 Stunden. Damals war das eine der ersten Touren, die ich hier in Kanada mit dem Alpenverein mitgemacht habe – und ich war recht wenig vorbereitet auf so eine lange Tour.
Bill, der diese Tour jährlich macht und auch die damalige Tour organisierte, hatte für dieses Jahr also wieder den Spearhead Traverse auf den Kalender gesetzt. Diesmal jedoch die Variante “extreme”.
Diese ziemlich populäre Route in Whistler startet auf der einen Seite der Berge, dem Gebiet von Blackcomb Mountain, und verläuft hufeisenförmig auf die andere Seite der Bergkette, und endet damit in Whistler. Üblicherweise startet man mit einer Gondelfahrt, die einen etwa 1500 Meter höher bringt, und startet somit von “oben” (siehe Bild).
Das ist die Variante, die ich vor einigen Jahren mitgemacht habe. Der dumme Nachteil: man muss auf die erste Gondel warten (9 Uhr). Da dies ein ziemlich langer Tag in den Bergen ist, wird die Tour üblicherweise im Frühling gemacht, wenn die Tage etwas länger werden. Doch dann ist normalerweise auch die Sonne stärker, damit wird der Schnee tagsüber schlechter – und daher ist so ein später Start etwas nachteilig.
Bill hat sich nun also eine neue Variante einfallen lassen: statt auf die Gondel zu warten, würden wir vom Fuss des Berges starten, also 1500 Höhenmeter (und 10 Kilometer) mehr mitnehmen, und können somit einen frühen Start haben (siehe unsere Route im Bild).
In der Theorie hörte sich das ziemlich gut an. Wir wollten Vancouver um 5 Uhr morgens verlasen, so dass wir spätestens um 7 Uhr losliefen. Für di insgesamt 45 Kilometer und 2500 Höhenmeter schätzte Bill eine Dauer von 13 Stunden ein – zügiges Gehen war gefragt.
Challenge accepted!
Wir waren eine kleine Gruppe von 4 Leuten und trafen uns am Dienstag morgen (wir mussten flexibel sein und darauf warten, dass der Wettergott uns einen gut Tag bescherte) um 5 Uhr morgens auf einem Parkplatz in Vancouver. Wir sprangen alle in Wilson’s Truck, und ich schaffte eine Rekordzeit nach Whistler (1 Stunde und 15 Minuten!). Um 6.30 Uhr waren wir alle fertig zum Abmarsch.
Die ersten Kilometer waren entsetzlich langweilig: wir liefen auf den Pisten durch das Skigebiet hoch bis zum letzten Skilift. Nach 2 Stunden hatten wir diese erreicht – und damit unsere ersten 1000 Höhenmeter und 6 km hinter uns. Am Skilift machte man sich bereit für den Start in den Tag – noch keine Warteschlange, ein seltenes Bild in Whistler.
Der tag war anfangs recht grau – aber das sorget für angenehme Temperaturen und hoffentlich guten Schnee.
Als wir langsam an Höhe gewannen, konnten wir for andere Seite der Bergkette gut sehen – auf diesen Bergrücken würden also am Abend zurückstapfen…cool.
Der Schnee war ziemlich gut für die Jahreszeit, nicht zu weich, noch nicht eisig. Zwischendurch gab es aber immer wieder kniffelige Strecken, wo der Schnee so hart war, dass man sich mit den Kanten der Skiern in den wenigen Schnee pressen musste, um Halt zu haben. Schon nach wenigen Kilometern konnte ich fühlen, wie sich die Blasen an meinen Füssen bildeten…oh no.
Aber erstmal ging es noch eine Weile bergauf…
…und dann noch weiter…
…und immer so weiter. Je höher wir kamen, desto schöner war der Schnee. An den halbsonnigen Stellen wurde der Schnee auch schon mal “bröselig” – und ab und zu kam es zu kleineren Rutschern (aber nichts Wildes).
Gegen 10 Uhr liess sich dann langsam die Sonne blicken, die Wolken verzogen sich und wir hatten herrliches Frühlingswetter. Jetzt zeigten sich auch langsam andere Gruppen, die auf einer ähnlichen (aber eben “softeren”) Mission waren.
Nach einem kurzen Stück, wo wir die Skier auf unserem Rucksack schnallen mussten, haben wir unsere 1/4 Marke erreicht (fast): 10 Kilometer – in 4 Stunden. Man muss kein Mathegenie sein um zu merken, das Bill’s ursprüngliche Einschätzung von 13 Stunden Dauer mit diesem Temp niemals aufgehen kann. Dabei waren wir ziemlich gut unterwegs, nicht die Allerschnellsten, aber auch nicht langsam.
Ich sagte erstmal nichts und genoss die gute Aussicht.
Es war wirklich traumhaft schön hier oben, umringt von so vielen beeindruckenden Gipfeln, einfach mitten in den Bergen. Weiter ging es, ein stets auf und ab, was auch bedeutet; Skifelle drauf, Skifelle wieder runter…auch das braucht Zeit.
Die Zeit verstrich unbemerkt. Bei dem herrlichen Wetter waren wir völlig losgelöst von jeglichem Tagesrhythmus. Wenn ich auf meine Uhr schaute, war ich oft überrascht: huch, schon 16 Uhr? Und noch nicht einmal 20 Kilometer hinter uns? Ich wurde ein ganz wenig nervös bei dem Gedanken, nach 22 Uhr erst wieder in Whistler zu sein. Schliesslich war der nächste Tag ein Arbeitstag und nach Vancouver mussten wir ja auch noch zurück…
Aber vorerst konnten wir daran nichts ändern.
Die Stimmung kippte so langsam, als wir um 19.30 Uhr am Fusse des vorletzten grossen Anstiegs waren. Die Sonne ging langsam unter und vor uns lagen noch knappe 20 Kilometer.
Es war unausgesprochen – aber es wurde uns allen bewusst, dass wir Whistler nicht vor Mitternacht erreichen würden. Von wegen Siegerbier und Burger nach so einem langen Tag, daraus würde dann wohl nichts 🙂
Über den Tag verteilt häuften sich auch die kleinen Ärgerlichkeiten oder Unangenehmheiten: Bills Skifelle zogen plötzlich magisch den Schnee an, so dass er sie immer wieder mit Wachs bearbeiten musste, Dominiks Skibindung streikte zwischendurch, meine Bindung fror immer wieder einmal ein. Meine Füsse schienen zudem von Blasen nur so überschüttet worden zu sein und mein Rücken schmerze extrem.
Nach unserem vorletzten Aufstieg mussten wir feststellen, dass die übliche Abfahrt nicht mehr existierte – zu wenig Schnee. Man brauchte nun Kletterausrüstung, um sich in den Einstieg zur Abfahrt zu kämpfen – oder man musste einmal drumherum fahren. Bravo.
Um 22.30 Uhr erreichten wir die Keith & Claire Hütte – hier waren Wilson und ich vor einigen Wochen zum skifahren. Von hier kannte ich den Rückweg also gut – und wusste somit auch, dass es noch ein laaaaanger Weg werden würde.
Mittlerweile war es dunkel (damit gab es auch keine Fotos mehr) und wir navigierten mit unseren Stirnlampen. Auch das bremste uns stark, denn nun mussten wir noch öfter anhalten und die Orientierung gewinnen.
Endlich hatten wir den letzten Aufstieg geschafft – und nun noch 10 Kilometer Abfahrt vor uns. Das klang einfacher, als es war: wir mussten uns nun im Skigebiet Whistler vorsichtig durch navigieren. Ohne Skilifte kann man da schnell mal in einer Sackgasse enden, wenn man nicht vorsichtig ist!
Meine Beine brannten wie Feuer auf der Abfahrt und ich musste immer wieder ma ein Päusschen einlegen.
Je näher wir dem Tal kamen, desto “dreckiger” wurde der Schnee:hier lag kaum noch welcher, und der Kunstschnee vermischte sich fröhlich mit dem darunter liegenden Dreck – und das kann Kratzer an den Skiern verursachen. Nicht so lustig.
Die Pisten waren offiziell geschlossen, das heisst, nicht präpariert – und so wurde die Abfahrt eine seeeehr holprige Angelegenheit.
Es war 2.30 Uhr als wir endlich in Whistler ankamen.
Unsere finalen Daten:
- 48 Kilometer
- 3500 Höhenmeter
- 19 Stunden
Krassomat! Und ich durfte die Mannschaft jetzt noch nach Vancouver fahren…doch das konnte ich gar nicht, weil ich nur noch alles doppelt sah! Also sprang Bill ein (was ein Glück).
Ich war um 5 Uhr morgens endlich zu Hause. Kurz geduscht, ab ins Bett, um zumindest 3 Stunden Schlaf zu bekommen.
Was für ein Abenteuer. Es war…ein Erlebnis. Und eine tolle Truppe. Aber ich muss so etwas wirklich nicht noch einmal machen. Nun pflege ich meine wunden Füsse und hoffe, dass sie fit sind bis zum Halbmarathon, den ich in zwei Wochen renne…