Und weiter gehts in der Geschichte: Tag 2. An diesem Tag wären wir eigentlich von der Hütte “Trient Hut” gestartet und hätten unseren Weg über einen weiteren Gletscher hinab in das Bergdorf “La Fouly” gesucht. Aber da wir es nicht bis zur Trient Hütte geschafft hatten, nahmen wir die bequeme Route: mit dem Zug ging es von Argentiere nach La Fouly. Was eigentlich eine etwa 6 stündige Wanderung wäre wurde nun eine 3.5 stündige Fahrt mit Bahn und Bus – und ein kleines Abenteuer an sich.
Wir nahmen zuerst die bequeme Regionalbahn von Argentiere nach Vallorcine, von dort ging es weiter nach Martigny, nach längerem Aufenthalt dann nach Orsières – und von dort mit dem Postbus rauf in das Bergdorf La Fouly.
Unsere Busfahrt war besonders amüsant: wir kamen rechtzeitig zum Schulende, so dass der Bus mit viele lachenden Kindergesichtern gefüllt war. Eines der Schulmädchen setzte sich neben Silvia und plapperte fröhlich auf französisch drauf los – und bald stellte sich heraus, dass sie ursprünglich von Vancouver kommt! Ihre Mutter ist Kanadierin, ihr Papa Schweizer und so wechselte mühelos zwischen Englisch und Französisch und erzählte von ihrem Schultag und dem Leben auf dem Land. Sehr unterhaltsam 🙂
Nachdem alle Kinder ausgestiegen waren, verblieb nur noch die letzte Bushaltestelle – und dort befand sich unsere Jugendherberge. Man fühlte sich etwas am Ende der Welt, eine enge Strasse mit wenigen Häusern, Totenstille. Wir waren die einzigen Gäste in der Herberge und bekamen ein festliches Abendmenü mit 3 Gängen. Hach, wie ich die französische Küche liebe. Es braucht nicht viel – und Essen hat stets Vorrang 🙂
Am nächsten Tag ging es dann früh los. Wir starteten sogar mit Sonnenschein, wenn das mal kein gutes Zeichen war!
Unser Weg führte uns zunächst durch ein kleines Tal zum nächsten Örtchen (ca. 30 Minuten entfernt). All diese Häuseransammlungen hier oben waren einstige “Maiensäss”, also kleine Gebäudeansammlungen, die im Sommer für den Almauftrieb der Kühe und Ziege benutzt wurden. Durch den Tourismus sind immer mehr der Häuser das ganze Jahr bewohnt – doch das letzte Dorf, durch das wir liefen, hatte noch den typischen Alpcharakter und war komplett verwaist. Daher wurden die Strassen hier auch nicht mehr gekehrt 🙂
Nun ging es wieder in die richtige Wildnis: in das grosse Nirgendwo, die endlosen Weiten der Bergwelt.
Hier hab ich die ersten Bergziegen auf unserer Tour gesehen. Es sollten noch mehr folgen – aber es war ein fantastisches Gefühl, so alleine in der Stille der Natur, und in den Höhen sieht man die Ziegen mühelos die Berge erklimmen.
Wir haben auch ein grosses braunes Tier für einige Zeit in der Ferne entdeckt. Zu klein für einen Bär, zu gross für einen Fuchs – und schnell wie ein Wiesel rannte es schnurstracks den Berg hinauf. Als wir zu den Spuren kamen, sahen diese aus wie von einem Fuchs – aber ich weiss bis heute nicht, was wir da gesehen haben.
Unser Weg führte uns durch ein v-förmiges Tal, steile Berghänge ragten an beiden Seiten hinauf. Zu dieser Jahreszeit die besten Voraussetzungen für Lawinen – und es sind einige Lawinen heruntergekommen, zum Glück vor unserer Zeit. Wir erklommen die Überreste der eisigen Brocken und waren froh, dass wir keinen Lawinenrutsch zu Gesicht bekamen. Es war definitiv respekteinflössend, die grossen Schneemassen um einen herum zu sehen.
Auf etwa Mitte des Weges wechselte das Wetter dann langsam: Wolken zogen auf, die Sicht wurde immer eingeschränkter.
Wir stiegen immer weiter in die Höhe, bis wir uns schliesslich nur noch mit unseren Navigationsgeräten Stück für Stück vortasten konnten…irgendwo war der Bergkamm, den wir überwinden mussten.
Endlich fanden wir den Übergang und konnten uns auf eine Abfahrt freuen! Aber bei dem Nebelmeer war dies kein Zuckerschlecken, sondern hiess ebenfalls: Vorsicht! Dicht hintereinander wagten wir uns Stück für Stück langsam den Berg herunter. Der Schnee war herrlich, es hätte eine traumhafte Abfahrt werden können!
Die Abfahrt führte uns zum Grand St Bernard Pass, ein alter und bekannter Händlerpfad, der die Schweiz mit Italien verbindet.
Ein letzter Aufstieg wartete auf uns, hinauf zum Kloster St. Bernard. Hier wurden früher die bekannten Bernhardiner Sennenhunde gezüchtet. Leider gibt es diese hier oben nicht mehr, nur im Sommer werden einige zu diesem Kloster geführt als Touristenattraktion.
Wir waren heilfroh, als wir nach diesem vernebelten Auf und Ab schliesslich eine Unterkunft erreichten – und wurden von den Mönchen mit heissem Tee und Suppe willkommen geheissen. Wir waren hier bei weitem nicht die einzigen Gäste. St Bernard ist ein gut gelegener Ort für Tagesausflüge und sowohl auf Skiern wie auch mit Schneeschuhen vom Tal aus leicht zu erreichen.
Hier gab es noch ein letztes Mal die Möglichkeit einer warmen Dusche – so viel Luxus sollten wir in den kommenden Tagen nicht mehr haben.
Das war also der dritte Tag unseres Abenteuers. Am nächsten Tag stand die Weiterfahrt zur Valsorey Hütte bevor – und davon mehr im nächsten Beitrag.