Jetzt aber, jetzt ging es also endlich Richtung Berge. Ich fühlte mich bereit. Mein Körper fühlte sich ausgeruht und weitesgehend “akklimatisiert” and. Eigentlich hatte ich bislang keine grösseren Probleme – ein gutes Zeichen?

Wir fuhren mit unserem Mini-Bus auf Schotterstrassen unserem ersten Gipfel entgegen. Mit uns war nun ein neuer Guide, José und seine Frau (die uns während unseren Klettertouren sehr gut bekochen würde). Es ging in die Gegend der Condoriri-Bergkette. Hier hatten wir zwei Gipfel als Ziel: den Pico Austria auf 5,300 Meter und den Pequeño Alpamayo auf 5,400 Meter. Aber fürs erste wollten wir das Basislage erreichen, das auf 4,600 Meter lag.

Auf unserem Weg sahen wir zahlreiche Lamas und Alpacos. Ich brauchte eine Weile, bis ich im Vorbeifahren die Unterschiede zwischen den beiden verstand – aber dann war alles klar: Alapacas sind die süssen, kleinen Tiere mit den knuffigen Plüschgesichtern. Lamas sind ein wenig grösser mit dünneren Beinen und einem etwas länglicherem, leicht dümmlich aussehendem Gesicht. Damit stand mein Favorit fest 🙂

Schliesslich kamen wir an am Ende des Tals an. Hier gab es nur ein kleines Gehöft, wo eine Familie einen Eseltransport betrieb. Wir konnten unsere grossen Taschen mit unserer Kletter- und Campingausrüstung also bequem abgeben und mussten nur noch mit einem kleinen Rucksack 200 Meter rauf zum Basecamp wandern. Easy-peasy 🙂

Vorher noch kurz das stille Örtchen aufsuchen? Es gab sogar Geschlechtertrennung (die Frauen bekommen das grössere Häusschen :D).

Wir folgten den Eseln langsam und genossen die Aussicht: so toll. Vor uns die majestätischen Berge – und unterwegs: noch mehr Lamas und Alpacas. Ein Paradies!

Condoriri Basecamp

Nach etwa einer Stunde erreichten wir das Basecamp mit seinem Refugio. Es bestand aus zwei kleinen Steinhütten, die jeweils aus einem grösseren Raum zum Schlafen und Essen sowie einer kleinen Küche bestand. Hier fanden ca. 10-15 Personen Platz. Der Schlafraum war ein einfaches Matratzenlager auf dem Boden. Als wir ankamen, erholten sich hier bereits 5 Personen.

Wir hatten die Wahl: wir konnten im Refugio übernachten – oder draussen in Zelten. Mark, Peter und ich bevorzugten dann doch die Zelte 🙂 Es war auch ein schöner Standort, direkt an einem kleinen See gelegen.

Die anderen Wanderer (darunter ein Pärchen aus Österreich und ein Belgier) wollten am nächsten Tag rauf auf den Pequeño Alpamayo (den würden wir am übernächsten tag in Angriff nehmen). Dafür mussten sie um 1 hr nachts aufstehen. Aus dem Grund wurde in dem Refugio früh zu Abend gegessen – und wir waren anschliessend auch so k.o., dass wir bereits um 20 Uhr in unseren Zelten lagen.

Die Nacht war jedoch ziemlich unruhig für mich. Zum ersten Mal spürte ich echte Atemprobleme. Zum einen war die Luft so trocken, aber zum anderen eben auch echt “dünn”. Sobald mein Körper sich bereit machte fürs Einschlafen und mein Atem sich verlangsamte, meldete sich meine Lunge mit einer kleinen Explosion und liess mich nach Luft schnappen. Als ich irgendwann etwas Schlaf fand, träumte ich davon, in einer Lawine verschüttet zu werden – und ich erwachte mit Schnappatmung.

Pico Austria (5300 m)

Am nächsten Morgen hatte ich leichte Kopfschmerzen (was aber auch von Schlafmangel und Dehydrierung kommen kann, nicht unbedingt ein Symptom von einer Höhenkrankheit sein muss) und so gut wie keinen Appetit. Wir standen um 6 Uhr auf und liefen um 7 Uhr los für unsere erste Bergbesteigung. Heute sollte es auf den Pico Austria gehen, rauf auf 5300 Meter. Für die 700 Meter Anstieg sollten wir insgesamt 3.5 Stunde brauchen.

Kurz nach unserem Start sahen wir die ersten Wildtiere: eine Mischung aus Hase und Chinchilla, die sich Viscacha nannten. Sie warnten sich gegenseitig mit kurze Pfiffen, ähnlich wie Murmeltiere, und waren unheimlich flink.

Hihi, die sind echt süss

Nach einer Stunde wurde der Weg dann etwas steiler und auch rutschiger: ziemlich viel loses Geröll, dass hier so rumlag.

Im Hintergrund sahen wir den Namensgeber für die Gegend, den Condoriri Berg. Er ist mit 5600 Meter der höchste Berg der Bergkette. Er hebt sich mit seiner besonderen Form von den anderen Bergen ab: ein grosser Gipfel mit zwei ähnlich geformten “Flügeln”. Condoriri bedeutet Kondor. Hier ein Foto mit dem rechten Seitenflügel 🙂

Nach einer gefühlten Ewigkeit (es ging wirklich nur mit sehr langsamen Schritten voran) erreichten wir endlich den Gipfel.

Mein erster 5000er. Ich fühlte mich gut – und die Aussicht war wirklich einmalig.

Runter ging es dann wie im Flug: mit jedem Schritte, an dem ich an Höhe verlor, fühlte ich mich leichter und konnte immer besser atmen. Wir brauchten weniger als eine Stunde für unseren Abstieg.

Der Tag heute war allerdings nur eine Aufwärmübung. Am nächsten Morgen sollte es dann mit richtigem “Mountaineering” beginnen. Der Aufstieg zum Pequeño Alpamayo, auf 5400 Meter Höhe. Um 1 Uhr nachts würden wir aufstehen, um 2 Uhr war Abmarsch. Na dann: gute Nacht 🙂

Pequeño Alpamayo (5400 m)

Gute Nacht war gut. Ich habe keine Sekunde Schlaf gefunden. Zuerst haben mich eine Gruppe lärmender Bergsteiger, die scheinbar nichts von Rücksichtsnahme wussten, wach gehalten – und dann wollte sich keine Müdigkeit einstellen. Um 1 Uhr nachts pellten wir uns aus unseren Schlafsäcken, ich hielt mich an einer Tasse Kaffee fest und versuchte mich, mental auf einen langen Tag einzustellen. Ich war schon ziemlich aufgeregt: heute würden wir mit Steigeisen über einen Gletscher laufen, wir werden angeseilt sein und für Stunden nur das Licht unserer Stirnlampen um uns herum haben. Ist eine Weile her, seitdem ich das gemacht habe.

Es war aber auch eine freudige Aufgeregtheit, die mich meine schlaflose nacht schnell vergessen liessen. Ich war bereit!

Kaum 10 Minuten, nachdem wir aufbrachen, meldete sich Mark: ihm ging es gar nicht gut heute, er hatte schlimme Magenprobleme und Kopfschmerzen. Er fühlte sich nicht in der Verfassung für diesen langen Berganstieg – und so drehte er und José wieder um. Wir hatten zum Glück noch einen zweiten Guide in unserem Team: Cecilio (oder auch “Super Mandarina”, weil sein Helm so schön orange leuchtete).

Peter, Cecilio und ich machten uns also auf den Weg. Geredet wurde nicht viel, es war dunkel und wir fokussierten uns einfach nur auf unseren nächsten Schritt. Viel los war auch nicht – obwohl es in dieser Gegend sogar noch eine andere Hütte gab und beide Hütten ziemlich voll waren. Aber scheinbar hatte niemand Interesse an den Pequeño Alpamayo, der mein Lieblingsberg werden sollte.

Nach etwa 40 Minuten Wanderung auf einem flachen Weg erreichten wir den Gletscher. HIer schnallten wir uns nun unsere Steigeisen unter die Füsse und seilten uns an. Das alles bei etwa -15 Grad.

Und dann ging es einfach nur stundenlang nach oben. Um uns krachte das Eis ganz gewaltig, es waren richtige Mini-Explosionen! Das hatte ich noch nie so extrem erlebt.

Cecilio war ganz vorne, ich in der Mitte, Peter am Ende. Wenn man angeseilt ist, bedeutet das auch: man kann nicht einfach mal so eben anhalten. Man muss alles ziemlich genau kommunizieren – und wenn einer anhält, dann müssen alle anhalten. Mein grösstes Dilemma: bei der extrem trockenen Luft fühlte ich mich ständig durstig – aber trinken bedeutete: anhalten, Rucksack abnehmen, Wasserflasche rausholen, Handschuhe abstreifen und dann alles wieder rückwärts. Wenn man anhält, wird einem schnell kalt, daher sollte man am besten versuchen, diese Pausen auf ein Minimum zu reduzieren. Aber nicht zu trinken macht sich eben auch bemerkbar…

Bei Sonnenaufgang erreichten wir den ersten Gipfel, Tarija (5300 m). Hier gönnten wir uns endlich auch einen kleinen Snack. In der Höhe hat man so wenig Appetit, dass man das Essen beinahe vergisst, aber mein Körper erinnerte mich auf einmal ganz gewaltig: er zitterte plötzlich extrem und ich fing an zu hyperventilieren. Zucker musste her, dringend. Nach wenigen Minuten konnte ich dann den Sonnenaufgang und die Aussicht geniessen. Vor uns ragte unser eigentliches Ziel empor: das sah verdammt steil aus von hier!

Vom Tarija Gipfel mussten wir nun erstmal ein wenig klettern: es ging ca 200 Meter bergab (ohne Steigeisen). Und auf der anderen Seite ging es dann den schmalen Grat entlang, dem man auf dem Foto oben erkennen kann. Vielleicht war es ganz gut, dass ich die Höhe langsam merkte: für mich ging es nur noch um den nächsten Schritt. Und dann den nächsten. Und den nächsten.

Ich wurde immer langsamer, aber zwang meine Beine dazu, noch einen Schritt zu tun. Und noch einen.

Bis wir dann endlich auf dem Gipfel standen, auf 5410 Meter Höhe 🙂

Wir ruhten uns nur kurz aus. Es war noch immer verdammt kalt, auch wenn langsam die Sonne herauskam.

Der Abstieg sollte ja eigentlich schneller gehen, denkt man sich. Aber so einfach war der nicht. Der schnee- und teilweise eisbedeckte Grat war 45 bis 55 Grad steil, da war Vorsicht geboten bei jedem Schritt. Wir wechselten für unsere Seilmannschaft auch die Reihenfolge: Peter war vorne, ich weiterhin in der Mitte, Cecilio hinten – so dass er uns halten konnten, falls wir ausrutschten (was ich auf gar keinen Fall testen wollte!).

Ich war froh, als wir wieder den mittleren Gipfel erreicht hatten (Tarija), denn von hier aus ging es nun tatsächlich nur noch herunter. Ein ewig langer Abstieg über den riesigen Gletscher, der nun nicht mehr so stark explodierte wie mitten in der Nacht.

Endlich am Fusse des Gletschers angekommen (so kurz vor 12 Uhr) fiel die letzte Anspannung von mir ab – und damit entwich auch jedes Fitzelchen an Energie, dass mein Körper noch aufbringen konnte. Ich war so unendlich müde und komplett leer. Leider hatten wir noch 1 Stunde Wanderung vor uns, wenn auch nur auf einem flachen Pfad. Aber dies war eine der längsten Stunden meines Lebens. Ich habe mich noch nie so ausgelaugt gefühlt. Jeder Schritt war eine Qual, ich musste mich so zusammenreissen, um mich nicht einfach ins Gras zu legen und zu schlafen.

Aber irgendwie und irgendwann hatten wir es geschafft: wir waren zurück beim Basecamp. Noch ein Gruppenfoto – dann fiel ich wie tot ins Zelt und schlief 1 Stunde lang.

Nach dieser kurzen Erholung ging es dann weiter mit unserem Programm: wir mussten unsere Sachen zusammen packen, die Zelte abbauen und zurück ins Tal wandern. Denn heute ging es noch weiter zu unserem dritten Gipfelziel: zum Basecamp für Huayna Potosi.

Auf dem Abstieg ins Tal merkte ich noch weitere Nebenwirkungen vom heutigen Gipfelerfolg: ich hatte mir einen blauen Zeh geholt beim langen Gletscherabstieg. Autsch, das tat weh – aber daran konnte ich nun nichts ändern.

Was mich aufmunterte waren die süssen Esel, die wieder ganz brav unsere grossen Taschen trugen 🙂

Dann ging es ab ins Auto und in das nächste Tal…und davon mehr im nächsten Teil 🙂

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.