Hier in Indien verliere ich langsam vollkommen den Bezug zu Zeit und Datum. Jeder Tag hier ist extrem vollgepackt, entweder mit unserer Projektarbeit oder mit Gruppentätigkeiten und Workshops. Der Unterschied zwischen Woche und Wochenende verschwimmt und die Zeit messen wir nur als “Projektwochen”. Wir sind jetzt in Woche 3 unseres Programms und damit sind wir bei der Halbzeit angekommen.
Unser Projekt mit der Gypsy Gemeinde wächst weiter. Nach unserem interessanten Ausflug nach Chennai, wo wir Material für Halsketten ergattert haben, ging es für Karishma und mich ans basteln: wir wollen die Halsketten der Gypsies verschönern und die Qualität verbessern. Hier sind unsere ersten Ideen und Testläufe:
Damit haben wir zumindest für uns herausgefunden, dass das Einbinden von kleinen silbernen Zusatzelementen sofort den Eindruck von der Qualität steigern kann.
Mit unserem neuen Material sind wir dann zu den Gypsies gegangen und haben unsere Bastelstunde mit ihnen gemeinsam wiederholt. Wir wollten wissen, ob sie bereit sind, neue Materialien in ihren Halsketten zu verwenden und wie sie das Design umsetzen würden. Wir waren überrascht, was für ein gutes Designer-Auge diese Gruppe hat.
Herausgekommen sind verschiedene Ideen, die wir dann mehreren Personen gezeigt haben, um Feedback zum Kaufinteresse zu bekommen.
Zudem haben wir versucht, Experten hier in unsere Gegend zu finden, die uns mit Rat zur Seite stehen können. In Auroville gibt es jede Menge kleinere Unternehmen und davon sind viele im Bereich Produktdesign tätig. In den letzten Tagen haben wir jede Menge Gespräche geführt und dadurch extrem viele Tipps bekommen – der wichtigste Punkt war für mich folgender: wir sind nur eine begrenzte Zeit hier und spielen im Bereich Produktentwicklung nur die Rolle eines kleinen Tropfen. Da wir aber in unserer Gruppe alle sehr motiviert sind, versuchen wir, so viel wie möglich in unserer begrenzten Zeit zu bewegen und auf die Beine zu stellen. Das ist gut gemeint – aber es kann auch ganz schön nach hinten los gehen. Eine Person sagte zu uns:”Ihr seid wie ein Wirbelsturm – ihr kommt zu dieser Gemeinde, bewegt viel, wollt verändern und plötzlich seid ihr dann weg. Dass kann schnell zu einem Einsturz führen.”
Und wenn ich das im grösseren Zusammenhang betrachte, dann sehe ich folgendes: wer sind wir schon, dass wir in andere Länder zu anderen Kulturen kommen und jemandem vermitteln, wie er etwas “besser machen” kann? Das gilt für so viele Projekte hier: alle starten mit einer guten Absicht – aber die Konsequenzen dieser guten Absicht sind nicht immer unbedingt nur positiv und werden oftmals nicht wirklich durchdacht. Das ist für mich die negative und die riskante Seite vom “social entrepreneurship”.
Während wir hier sind, lernen wir natürlich auch immer mehr über die indische Kultur. Letzte Woche war hier das Nationalfest Diwali oder “Festival des Lichts”. An diesem Tag werden Raketen und Feuerwerk gezündet und Familien kommen zusammen zu einem grossen Festessen. Wir haben den Tag zunächst in Pondicherry, unserem Nachbarort, gestartet mit dem Meer als herrliche Hintergrundskulisse:
Anschliessend gab es das Lichterfest bei uns im Ort Auroville mit herrlichen Blumenmustern und lichtgeschmückten Wegen:
Auch über die indischen Küche lerne ich hier mehr; wir essen fleissig Idly (gedämpfte Reisböllchen) und Dosai (eine Art Crepe) mit indischem Chutney.
Hocherfreut sind wir alle darüber, dass in Auroville guter Kaffeegenuss wertgeschätzt wird und es hier einige herrliche Cafes gibt, die besonders fein für ein gutes Frühstück sind 🙂
So, und damit mache beende ich vorerst mein Update; es gäbe noch so viel zu berichten, ich komme gar nicht mehr hinterher…bald mehr 🙂